Es war im September 1996, da wurde ich durch einen unglaublich
glücklichen Umstand zu einer Sponsorfahrt im Veedolcup Rennwagen auf
der Nürburgring Nordschleife eingeladen.
Sehr kurzfristig wurde mir Bescheid gegeben, dass ich an einem Freitag zum
Mittagessen im Dornint Hotel am Nürburgring erwartet würde und,
dass die Rückreise für Samstagnachmittag geplant sei.
Die weitere Agenda sagte etwas von Einstellfahrt auf der Nordschleife
- als Beifahrer über die schönste Rennstrecke der Welt
Ich brauchte einige Zeit, um diese Nachricht zu verdauen.
Als echter Motorsportfan der nicht nur bei der Formel 1 anfängt
und bei Schumi aufhört, sondern der Rennsport wirklich in allen Bereichen
liebt, war dies natürlich das Größte was passieren konnte.
Und nun sollte ich mit einem Rennwagen, im Rennoverall, mit Rennhelm und im
Renntempo um die legendäre Nordschleife gefahren werden?
Für mich war dies eine unglaubliche Vorstellung. Normalerweise träumt
man nicht einmal von so einer Gelegenheit. Und mir soll dieser ungeträumte
Traum in Erfüllung gehen? Unvorstellbar ! Aber wahr !
Am Freitagmorgen fuhr ich also Richtung Eifel und ereichte
gegen Mittag das Dorint Hotel am Nürburgring. Seit dem Zeitpunk ist mir
auch bekannt, dass - erstens dieses Hotel direkt an der Start/Ziel Linie des
Grand Prix Kurses liegt und zweitens, dass ich in diesem Hotel die Nacht verbringen
würde. Dort lernte ich bei einem leichten Mittagessen meinen Fahrer,
Teile der Crew und weitere auserwählte Beifahrer kennen.
Im Anschluss wurden wir in einen Besprechungsraum des Hotels gebeten. Hier
präsentierte man uns die Grüne Hölle mittels eines
Videofilms. Der Film dauerte ca. 20 Minuten und war bei Sonnenschein aus einem
Audi 80 gedreht worden. Diese komplette Runde sah eher aus wie eine Ausflugsfahrt
im Bayrischen Wald. Als uns aber dann berichtet wurde, dass wir in einem ca.
240 PS starken BMW M3 diese Runde in ca. 12 - 15 Minuten drehen würden
und das bei Regen, steckte mir dann doch schon ein Klösschen im Hals.
Dort lernten wir auch, dass der Veedolcup ein Langstreckenpokal mit insgesamt
10 Rennen ist. Alle Rennen werden auf der Nordschleife ausgetragen. In der
Regel sind die Fahrer keine Profis, sie nehmen aber die Rennerei sehr ernst.
Die Renndauer liegt zwischen 4 und 24 Stunden. Demnach sind immer mindestens
zwei Fahrer auf einem Auto.
Neben unserer Rennoveralls erhielten wir dann noch eine Beschreibung
der einzelnen Streckenabschnitte mit Anbremspunkten und Ideallinie, und wurden
zum Frischmachen auf unsere Zimmer gebeten.
Ich zwengte mich in meinen viel zu engen Overall und war nach einem längeren
Fussmarsch natürlich pünktlich um 16:00Uhr in der Box unseres Rennstalls.
Die Boxen hatten damals eher den Charme eines Güterbahnhofs. Ehrlich,
was man Fernsehen sah war alles Kulisse. Ich war von dem Anblick eher enttäuscht,
aber was solls. In einer Box, in der bei der F1 ein Fahrzeug steht,
standen derer vier! An dreien arbeiteten die Mechaniker, welchen Luxus genossen
demnach die Profiteams mit einem Auto pro Box. Mittlerweile ist die Boxenanlage
komplett erneuert worden.
Unser Auto, ein blauer BMW M3 mit der Startnummer 513 wurde
aus der Box geschoben. Jetzt wurde mir endlich klar - die meine das tatsächlich
ernst. Also suchte ich mir einen passenden Helm. Die Frage des Fahrers: Wer
ist der erste ? wurde ihm von mir mit in-die-Luft-gucken
und nicht-vorhandene-Steine-wegkicken eindeutig beantwortet. Aber
es fand sich dann doch jemand.
In diesen BMW ist vorher ein Beifahrersitz installiert worden und , da es
trocken war, hatte man Trockenreifen aufgezogen. Nachdem Fahrer und Beifahrer
in ihren 5-Punkt Gurten fest verankert waren, ging es los. Ich war als nächster
an der Reihe. Zwischenzeitlich fing es an zu regen. Es vergingen 20 Minuten
und mehr bis unsere 513 in der Boxengasse auftauchte. Was war passiert ? Nichts
außer Regen war der Grund. Teilweise konnten sie mit den Slicks nicht
mehr als 30km/h fahren.
Nun wurden Regenreifen aufgezogen und ich in dem Rennsitz festgeschnallt.
Die Scheibe wurden mit Antibeschlagspray behandelt. Mit Helm im Auto - komisches
Gefühl - im Rennsitz festgezurrt wie ein Rollbraten.
Du kannst nur den Kopf, die Arme und Beine bewegen, nicht mehr und nicht weniger.
Du wirst eins mit dem Auto. Keine Spur von Automatikgurten, die bei langsamen
Bewegungen des Körpers nachgeben. Nein, in einem Rennwagen ist fest wirklich
fest und das mit gutem Grund.....
Nun ging es los:
Nachdem wir das Castrol-S unbeschadet hinter uns gebracht hatten, kamen wir
zur Kurzanbindung. So allmählich, dachte ich sollte
der Mensch doch mal bremsen. Aber nichts tat sich. Als er dann doch
endlich in die Eisen stieg, kamen wir auf der regennassen Piste dann doch
etwas quer. Mein Pilot hatte einiges zu tun um das Gefährt um die Kurve
zu bringen. Der lapidare Kommentar von ihm: Ich glaube die Reifen
sind noch etwas kalt Na, das kann ja noch heiter werden
war mein erster Gedanke, der sich auch voll bestätigte.
Die GP-Strecke war dann nicht weiter spannend, ausser, dass sie wesentlich
breiter ist, als sie von aussen erscheint.
Wir tauchten dann in die erste Passage der legendären Nordschleife ein. Hatzenbach wird diese nach einem in der Nähe fließendem Gewässer genannt. Nun ging es durch etliche Kurven hoch zum Schwedenkreuz. Man fährt dort direkt auf eine abfallende, sehr scharfe Rechtskurve zu. Die Sicht auf den weitern Streckenverlauf ist durch Bäume verdeckt. Es wurde wieder unglaublich spät und hart gebremst und dann ging es wie auf Schienen auf den mittlerweile warmen Pneus 'rum um die Kurve.
Es tat sich ein ungeheures Bild auf - die sogenannte Fuchsröhre.
Es geht hier mehrere hundert Meter fast geradeaus mit einem Gefälle von
11% den Berg herunter, eine der schnellsten Passagen der Strecke. Hat man
also diesen Absturz mit weit über 230km/h überstanden,
wechseln die 11% bergab nach 10% bergauf. Jetzt wusste ich auch, warum uns
nur eine leichtes Mittagessen gegönnt wurde. Eine unglaubliche
Kompression verbunden mit den Seitenkräften der gleichzeitigen Linkskurve
presste mich ziemlich hart in das nicht vorhandene Polster des wackeligen
Rennsitzes.
Oh Gott, was kommt den jetzt noch alles ? Ich kann Euch
beruhigen, viel schlimmer kam es nicht mehr.
Bemerkenswert ist, dass es viele blinde Kurven
gibt. Ohne sehr gute Streckenkenntnisse ist man hier absolut verloren. Hiervon
zeugen auch bei Breitscheid etliche Einschlagspuren in den Reifenstapeln
nach einer Bergab-Links.
Wir schraubten uns also, nach der mit 334 Meter über N.N tiefsten Stelle,
weiter bergauf, bergab durch die Eifel bis zum nächsten Schluck.
Es ging auf das Karussell zu. Dieser Abschnitt
heißt nicht umsonst so. Hier ist von größter Wichtigkeit
die Einfahrt in die Steilkurve richtig zu erwischen. Man rumpelt über
Betonplatten durch diese über 180-Grad-Kehre und sieht bei der Einfahrt
nichts von der, ach doch so wichtigen, Ausfahrt.
Zitat aus der Streckenbeschreibung :Nach dem Anbremsen und Herunterschalten
geht es über einen weißen Punkt mit Zug hinein in die betonierte
Steilkurve. Die Augen tasten dabei möglichst weit voraus, da man sonst
leicht die Orientierung verliert. Auf den letzten fünf Metern des Beton-Ovals
den weißen Punkt an der oberen rechten Ecke der letzten Betonplatte
anpeilen und herausbeschleunigen.
Kling völlig simpel, aber wann zum Henker, kommt die letzte Betonplatte
und wo sind hier weiße Punkte ???
Kurz danach erreichten wir die Hohe Acht, mit 626
Meter über N.N die höchste Stelle der Nordschleife und begannen
dann mit dem kontrollierten Abstieg. Nach dem Schwalbenschwanz,
eine ähnlich Passage wie das Karussell, ging es nach der
Rechtskurve Galgenkopf auf die Döttinger-Höhe.
Hier geht es fast 2,5km geradeaus. Nach der Fuchsröhre ist
dies die zweitschnellste Passage. Hier haben die Fahrer bei Vollgas Zeit,
um sich etwas zu verschnaufen. Vollgas hieß bei unserem
BMW mit ca. 8000 U/Min ca. 240km/h Spitze. Am Ende dieser Geraden kamen wir
dann durch eine Schikane, vorbei an der alten Boxengasse am Ausgang der Coca-Cola-Kurve
wieder auf die GP-Strecke und fuhren direkt in die Boxen.
Meine Rennrunde auf der weltweit einzigartigen Strecke war leider vorbei.
Wir hatten für die 40 Rechts- und 33 Linkskurven ca. 12 Minuten gebraucht. Welche Kräfte mögen an den GP Fahrern der Vergangenheit gezerrt haben, die den Ritt in der vor 1971 mit 84 Rechts- und 88 Linkskurven bestückten Achterbahn in knapp 7 Minuten hinter sich gebracht haben?
Nun ist mir klar, warum Jackie Steward 1968 diesen 22km Asphalt den Namen Grüne Hölle gab.
Jürgen Overlöper
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